Die Perlenkette

(von Hartmud Brinkhaus)

Nachdem er seinen Durst gestillt hatte, legte sich der Tiger unter den alten Bäumen in das weiche Moos am Ufer des Baches. Er rollte sich auf den Rücken, kreuzte die Vorderpfoten auf der Brust und ab und an bewegte sich ein Barthaar, während die Nase lautlos schnuppernd einen fernen Duft aufzunehmen schien.

Und in die Bilder hinein, die sein Herz warm durchfluteten, hörte er plötzlich ein leises Wispern und Zirpen, unwirklich und fremd wie aus einer anderen Welt. Unmerklich richteten sich seine Ohren auf und hatten bald eine Stelle am Rande des Baches geortet, wo von flachem Wasser kräuselnd um-spült zwei Muscheln zueinander sprachen.

„Wie langweilig und klein ist unsere Welt“ klagte die eine. „Fürwahr“ seufzte die andere „Nichts als Wasser, stumme Bäume, glotzende Barsche.“

„Und trampeliges Getier, das unser Wasser säuft als gehöre es ihnen“ empörte sich die erste.

„So wie dieses Monster da am Ufer“ sprach die zweite und rollte aufgeregt ihre Perle von Seite zu Seite. Hätten wir doch nur Beine, so wie diese Unverschämten, dann könnten wir uns endlich auf den Weg machen.“

Dies hörte der Tiger, der ihnen gelauscht hatte und sich nun vorsichtig auf den Bauch drehte. Und während er interessiert die Muschel musterte, sah er dort in dem warmen Licht der Nachmittags-sonne ein Schimmern und Glitzern, wie er es nie zuvor erblickt hatte, das ihn gefangen hielt und sich in seinen Herzensbildern zum unbändigen Wunsch einte, mit diesem Glanz der Dame seiner Gedanken gefällig zu sein.

Plötzlich erlosch das Funkeln. Erschrocken und unterbrochen in seinen ausschweifenden Phantasien sah er statt dessen, algenbesetzt und unscheinbar wie Steine, die geschlossenen Muscheln.

„Hör mal“ sagte er zu der vorderen der Muscheln, bemüht sanft zu sprechen, während sein Schwanz aufgeregt über das Moos strich. „Liebe Muschel, ich möchte Dich gerne etwas fragen.“ Er war fest entschlossen, ihr Geheimnis für sein Werben zu nutzen.

Durch den schmalen Spalt ihres vorsichtig angehobenen Panzers sah die Muschel den Tiger. Sein Kopf ruhte etwas zur Seite geneigt mit hochgezogenen Mundwinkeln auf den Pfoten, deren Krallen wie Krummsäbel den feuchten Sand staken. „Was willst Du?“ fragte sie sehr skeptisch, auch wenn sie nie davon gehört hatte, dass sich Tiger für Muschelfleisch interessierten.

Der Tiger hob erfreut etwas den Kopf. „Dein funkelndes Strahlen habe ich gesehen“ begann er mit spitzem Maul und wie er glaubte butterweicher Stimme.Zu gerne würde ich auch diese Fähigkeit lernen und selbstverständlich bin ich bereit, jeden Preis zu zahlen.“ Dabei schwoll seine Brust und der Kopf hob sich, dann ließ er ihn wieder sinken und schob ihn so nah an die Muschel, dass ein Barthaar sie durch den Spalt pikte und sie erschrocken zuschnappte und den Stachel einklemmte.