XV. Eine Hypnotherapie, die von Kunst inspiriert wäre…

…wäre für die Schmerztherapie eine lohnende Vision und ein gutes Ziel. Sie würde sich fraglos von der heutigen Hypnotherapie unterscheiden, und zwar vor allem hinsichtlich jenes Merkmals, von dem wir zuletzt sprachen. Wie wir gesehen haben, ist es im Prozess der „Kunsterzeugung“ überhaupt nicht wünschenswert, pausenlos in Trance zu sein. Vielmehr ist der versierte Einsatz von Trancemomenten dasjenige, was den kreativen Prozeß ausmacht. Von diesem Standpunkt aus betrachtet würde jene negative Bewertung, die wir oft dem Rationalsieren angedeihen lassen, fehlerhaft sein. gegenwärtig läuft der Trand der Bewußtseins- und Kognitionsforschung eindeutig auf das Intuitive zu und damit vom Rationalen weg. Zu Recht, da das Rationale lange als allein seligmachend angesehen wurde. Wenn nun aber Intuition gepriesen wird, so müssen wir befürchten, daß damit nur die andere Seite idealisiert, nicht aber die Einseitigkeit aufgehoben wird. Im Sinne der Jung’schen Psychologie wäre dies ein heikles Unterfangen, da hiermit nun die rationale Funktion unsere Schwachstelle würde und gegen uns zu arbeiten begönne. Wir tun also gut daran, das Prüfende eines Malers oder einer Bildhauerin in unser therapeutisches Inventar mit aufzunehmen, wo wir dies noch nicht getan haben – oder, wo wir eher theoretische TherapeutInnen sind, das Sinnliche zu integrieren so, wie es sich beim „Kunstmachen“ darbietet: Naturmaterial einerseits, „work in progress“ andererseits.

Kunstschmerztherapie – der Begriff, der diesem Text seine Überschrift gab, ist aus drei Teilen zusammengesetzt. Er ist in gewisser Weise jene Verbindung, zu der eine künstlerische Hypnotherapie des Schmerzes führen könnte. Hierzu abschließend ein Zitat, welches auf Joseph Beuys Bezug nimmt; einen Künstler also, der in seinem Werk nie müde wurde, auf schamanistische Elemente im Künstlersein zu verweisen. Linke und Kappenstein (1994) verweisen anläßlich einer Betrachtung eines Werkes von Beuys darauf, dass aus dem Spannungsgefüge von Kunst und Leben ein Ausweg wohl nur mittels der „Beuysschen Dreiheit… von Ratio, Intuition und Kreativität“ (S. 178) zu finden sei. Diese Umschreibung einer „inneren Dreifaltigkeit“ können wir ohne weiteres übernehmen, wo wir über Hypnotherapie sprechen.

Auch mögen wir dabei an Beuys´ oft unvollständig zitierten Satz „Jeder Mensch ist ein Künstler“ erinnert werden, der freilich nur ein Halbsatz ist, denn er pflegte ihn mit dem Zusatz zu vollenden: „… aber nicht jeder eignet sich zum Berufskünstler.“ Immerhin legt dieser Satz es nahe, an die Heilkonzepte zu denken, welche die Hypnotherapie wieder hat wachwerden lassen, und nach welchen in jedem Menschen ein „innerer Arzt“ bzw. eine „innere Ärztin“  – ein innerer „Heilkünstler“, eine innere „Heilkünstlerin“? – darauf wartet, angesprochen und zur Heilung gerufen zu werden.

Kategorien: Studien