Das Umdenken bezüglich der Hypnotherapie von schizophren oder psychotisch Belasteten, in Deutschland bereits 1988 von Wolfgang Ebers gebahnt, kann vor allem mit einem Namen in Verbindung gebracht werden: Jószef Vas. Vas hat mit der sogenannten „Counter-Trance“ ein Mittel geschaffen, das sich zur Therapie Schizophrener in perfekter Weise eignet (vgl. Vas 1993). Als Counter-Trance bezeichnet Vas einen Trance-Zustand des Therapeuten, der dem des Kranken gleicht, ohne aber dieselbe Tiefe zu erreichen. Der wesentliche Therapieschritt sieht dann so aus, daß der Therapeut versucht, von seiner leichteren Trancestufe aus den Patienten zu sich „hinaufzuziehen“. Je mehr es gelingt, den Patienten in leichtere und evtl. flüchtigere Trancen zu geleiten, desto größer ist die Chance, daß Außerereignisse, Interventionen und neue Sichtweisen in das System der Kranken eingehen, welches so allmählich veränderbar wird.

Unter Bezugnahme auf meine eigene Arbeit (vgl. Milzner 1996) möchte ich Vas´ Theorie noch ein Konzept hinzufügen, nämlich das des „Selbstwissens“. Dies hypnotherapeutische und aus der Praxis vieler Kollegen abgezogene Konzept besagt in aller Kürze, eine Person verfüge stets über genügend unbewußtes Wissen, um sich allein zu heilen. Dies Selbstwissen zu nutzen sei wesentliches Ziel der Therapie, ihre Hauptschwierigkeit bestehe darin, auch auf Selbstwissen gegründete Entscheidungen zu respektieren, die unseren Denkgepflogenheiten widersprächen (was etwa Umgang mit Zigaretten oder Sexualität, aber auch Familie, Arbeitsverhältnisse u.ä. angeht). Übertragen wir dies Konzept auf die Arbeit mit Schizophrenen, so ergibt sich die Annahme, auch ein schizophrener Mensch habe genügend Selbstwissen, um sich aus eigener Kraft zu heilen; überdies wisse er selbst am besten, was er therapeutisch benötige. Dies einmal probeweise auf eine Medikamenteneinnahme angewandt erbringt eine Sichtweise, die Cancro (1978) so ausgedrückt hat: „Daß manche unserer Patienten ganz klar gegen die Einnahme von Medikamenten sind, jedoch trotzdem welche nehmen müssen, sollte uns zu denken geben. Es ist nicht unmöglich, daß das Urteil dieser Patientengruppe richtiger ist als unser eigenes.“ (S. 15).

Assoziiert man das Konzept des „Selbstwissens“ mit dem der „Counter-Trance“, so gelangt man erneut zu Gilligan, welcher von einer „interpersonalen Trance“ zwischen Therapeuten und Patienten spricht, in welcher sich Lösungen finden lassen, die sonst unerreichbar wären. Selbstwissen von Patienten und Sachkompetenz von Psychologen gelangen wirken hier mehr zusammen, als dies sonst je therapeutisch der Fall wäre. Zudem kommt neben der Sachkompetenz des Therapeuten seine menschliche Weite zum Tragen, und es unterliegt keinem Zweifel, daß Liebe im weitesten Sinne das größte Heilmittel ist, das wir nutzen können. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich eines Texts von Patrick McGrath, in welchem die Kindheit in einer Anstalt für psychisch kranke Rechtsbrecher in den 50er Jahren beschrieben wird. Manche dieser Personen haben Kontakt zu den Kindern der Angestellten; andere, Leute, wie wir sie aus „Das Schweigen der Lämmer“ von Jonathan Demme kennen, sitzen in „Block Sechs“, was zwar kein Hochsicherheitstrakt, aber immerhin abgeschottete Zone ist. An einer Stelle in diesem Text heißt es: „Einmal, während der Dämmerung, als mein Vater und ich einen Hof innerhalb der Abstalt überquerten, gellte plötzlich ein furchtbarer Schrei aus einem der hohen Fenster von Block Sechs, ein Schrei, wie aufgeladen von tiefstem Kummer. Erschrocken schaute ich zu meinem Vater hoch. „Armer John“, murmelte er, und an seinem Ton verstand ich, daß er verstand, warum der arme John schrie; und die Tatsache, daß er es verstand, nahm dem Schrei – in meinem Empfinden – den Schrecken.“ (McGrath 1990, S. 70).

McGrath, der hier die Kraft von Liebe und Verständnis auch gegenüber solchen erahnt, die als Monstren außerhalb aller Normalität leben, berichtet, daß er nach dem Wunsch seines Vaters ebenfalls hätte Arzt hätte werden sollen. Stattdessen aber habe ihn das Erlebnis der psychischen Grenzzustände zum Schreiben angeregt, frühe Versuche hätten schizophrene Zustände abbilden sollen. Und ist Kunst nicht ein ausgezeichnetes Mittel, um sich fremden Realitäten zu nähern? Wir könnten, von McGraths Erzählung angeregt, eine Brücke schlagen zur Kreativität, welche in ein hypnotherapeutisches Konzapt so eingearbeitet werden kann, daß sie dessen Potenz vermehrt.

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