III. Hypnotherapie und Schizophrenie

Von Unaufgeklärten wird auch heute noch die Assoziation von Hypnose und Psychose für einen Kunstfehler angesehen. Dabei ist gerade die Tatsache, daß Schizophrene sich in einer Art Dauertrance mit eigener Logik und eigener Dynamik aufhalten, eine besondere Indikation für hypnotherapeutisches Arbeiten. Hierfür möchte ich Ihnen ein Beispiel geben: Ein Modell, welches ursprünglich nicht für die Behandlung der Schizophrenie gedacht war, sich aber gut auf sie übertragen läßt, stammt von Stephen Gilligan (1991). Gilligan sagt, ein Patient gleiche einem Menschen mit einem Instrument, welcher eine Melodie auf eine bestimmte Weise spiele. Ein guter Hypnotherapeut stimme sein Instrument auf das seines Patienten und spiele zunächst für eine ganze Weile nur dessen Melodie mit, ehe er beginne, allmählich neue Töne hineinzubringen, die schließlich mehr würden und so die Melodie variierten…

Gilligans Metapher zeigt uns eine Möglichkeit, wie wir die Hypnotherapie von Schizophrenen auffassen können. Viele Autoren (so etwa Will 1978) schrieben, der beste Lehrer eines Therapeuten sei der Behandelte selber. Nun, bei Schizophrenen stimmt dies zwar nicht mehr als bei anderen Patienten, aber die Folgen der Nichtbeachtung dieses Grundsatzes sind krasser, da es zur rational unterfütterten Diskussion eines Therapieprozesses kaum je einmal kommt und so ein wesentliches Korrektiv fehlt. Wieso aber ist das so?

Wer immer auch nur einmal mit Schizophrenen gearbeitet hat, der weiß, wie unsinnig es ist, sie auf normal-rationale Kommunikationsgepflogenheiten bringen zu wollen. Vollkommen sinnlos ist es, gegen den Wahn anzuargumentieren; vollkommen sinnlos ist es auch, „vernünftiges“ Verhalten herbeibeschwören zu wollen, indem etwa an soziale Verantwortung, Gesundheitsverständnis, die Notwendigkeit von Anpassung und andere abstrakte Werte appelliert wird. So kreativ und sich verströmend Schizophrene nach außen sein können, so abgeschottet erscheinen sie nach innen. Mitunter wirkt es, als hätten sie einen kognitiven Filter vorgeschaltet, welcher nur Botschaften hereinläßt, die mit dem Wahn kompatibel sind; oder aber es gebe einen Verzerrer, welcher Botschaften zurechtstutzt auf das, was zum persönlichen System paßt. So kann die Botschaft eines jungen Assistenzarztes: „Ich halte es für schädlich, Alkohol im Übermaß zu trinken.“ von einem schizophrenen Patienten folgendermaßen wiedergegeben werden: „Der Doktor würde nie zuviel Alkohol trinken, aber bei mir sieht er ein, daß es notwendig ist.“ Gabel (1967) hat diese kognitiven Muster einmal als Muster der Ideologie identifiziert und gesagt, die Schizophrenie leiste auf privater Ebene das, was eine Ideologie staatlich bewirke: Wahrheit in absoluter Form nach innen, Selbstausdruck in der völligen Überzeugung des Rechthabens, Ausblendung oder Verzerrung von nicht konformen Sachverhalten, sowie endlich, wo die Außenangriffe ein Übermaß erreichen, das die Ideologie massiv gefährdet, das wütende Beendigen von Kontakt. Dies alles sind Faktoren, mit denen BehandlerInnen von Schizophrenen mehr als andere rechnen müssen. Viele gute Therapeuten handeln darum wie Under-cover-Agenten, welche gelegentlich über etwas hinwegsehen müssen, umd das Ganze – die Therapie – nicht zu gefährden. Sie unterlassen es, gegen Alkohol- oder Tablettenmißbrauch, gegen das Anschreien der Eltern o.ä. anzuargumentieren und akzeptieren zunächst völlig die Realität des Erkrankten, in welcher das Übermaß an Schnaps oder Nikotin durchaus als heilsam repräsentiert sein mag.

Ein Wahn ist also nur langsam und von innen heraus zu verändern. Dies ist die Domäne von hypnotherapeutisch Erfahrenen, oder könnte es jedenfalls sein, denn was können Hypnotherapeuten besser, als in einer fremden Realität zu arbeiten. Techniken wie der „Yes-Set“, sowie das Prinzip der Utilisation bieten hier hervorragende therapeutische Möglichkeiten. Was wir dabei zu tun haben ist, um es einmal in kreativitätsbezogener Sprache zu sagen, hypnotherapeutische Interventionen in eine Schizophrenie-Sinfonie einzuschmuggeln (vgl. zur Veranschaulichung etwa Milzner 1993 und 1998a).

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